Der Lamatempel in Peking oder Der Tag, an dem mich ein Mönch verfluchte

Von Mönch zu Mönch: im Lama Tempel in Peking

Mönche sind ja eigentlich ganz geruhsame Gemüter, mag man glauben. Zumindest dachte ich das bis an diesem kalten Tag im März 2006 in Pekings Lamatempel. Der Tag, als mich ein waschechter Mönch verfluchte. Ja so ein richtiger Mönch! Im dunkelbraunen Mantel und mit orangenem Wickeltuch um die Hüfte. Mit Ziegenbärtchen am Kinn und Gebetskette in der Hand. Aber wie konnte es dazu kommen?

Auf dem Weg zum Mönch im Lama Tempel in Peking in China

Der Lama Tempel in Peking ist so etwas wie das Paradebeispiel eines chinesischen Tempels. Eine breite, viel befahrene Straße führt bis zum Eigangstor, hinter dem der gemeine Tourist an einem Schalter ein Ticket ersteht. Dann geht es eine Prachtstraße hinein unter Bäumen hinweg und an neugierigen Blicken chinesischer Besucher vorbei. Schon bin ich mittendrin im buddhistischen Yonghe-Gong Tempel, so sein eigentlicher Name, dem grössten lamaistische Tempel ausserhalb der tibetischen Region.

Man läuft hinein wie in eine Glocke, hinein in eine andere Welt. Der dicke Rauch von Räuerstäbchen windet sich um meine Nase und verklärt die erste Sicht auf den sakralen Prachtbau. Chinesen aller Altersgruppen stehen in sich gekehrt an den massiven Verbrennungsbehältern, die Augen geschlossen und die Hände fest um die Stäbchen gewunden.

Und schon bin ich in meinem Element. Ich schieße ein Foto hier, ein Foto da. Man will ja viele Bilder machen, eher zuviel, als zu wenig. Fast wie in Trance schieße ich ein Foto nach dem anderen.

Auf dem Weg zum Mönch im Lamatempel in Peking

Ich drehe meine Perspektive, wende mich hierhin und dahin, fotografiere die Bauten in allen möglichen Winkeln und all ihren Facetten. Ich geh durch Tore und Bögen, mache eine Detail-Aufnahme hier, eine Detailaufnahme da. Dann das große Ganze. Der graue Himmel an diesem kühlen Frühlingstag stört irgendwie kaum, so hinreißend ist die Atmosphäre, so abgeschottet glaubt man sich von den stinkenden Gassen des Großmolochs Peking. Dabei trennt einen nur die vier Meter Hohe Mauer vom Trubel der verstopften Pekinger Verkehrsadern.

Kennst du das, wenn du nach einem besonders gelungenen Schnappschuss das Resultat auf dem Display deiner Digitalkamera anschaust, kurz innehältst und dir innerlich applaudierst?

So geht’s weiter und weiter durch den Lama Tempel. Ich winde mich durch schmale Gänge, unter Torbögen hindurch, an uralten Gemäuern entlang, komme auf die Rückseite des Tempels und bemerke plötzlich, dass da niemand ist, außer mir und diesem Mönch.

Nicht nur der Mönch betet im Lamatempel in Peking, sondern auch Besucher

Ehrlich gesagt habe ich das Foto gemacht, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe, es zu machen. Aber darum geht es auch längst nicht mehr. Weil dieser Mönch sich umgedreht hat. Womöglich schon just in dem Moment, als ich auf den Auslöser drückte. Sein Blick reicht mir für die Gewissheit, dass er mich soeben gerade zum Mond gewünscht hat oder zumindest auf den letzten Gipfel des Himalaya.

Ein buddhistischer Mönch im Lama Tempel in Peking

Und plötzlich fühl ich mich total schuldig wie ein kleiner, dummer, unwissender Tourist. Dieser Augenblick hat mir die Augen geöffnet: dafür, wie wichtig es ist, sich in fremden Ländern an die Sitten, die Religion und die Kultur zu halten, sich anzunähern und seine eigene Begierde nach tollen Fotos einmal hinten anzustellen und den einen tollen Schnappschuss einfach mal sein zu lassen. Die besten Erinnerungen kann man so oder so nicht mit der Kamera einfangen, sie bleiben als Bild in deinem Kopf. Und der ist eh besser als jede SD-Karte.

Hattest du auf Reisen auch schonmal einen demütigen Mönch-Moment? Dann nix wie in die Kommentare damit!

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  1. Oli says:

    Hallo Clemens,

    ich glaube, da brauchst du dir keine so grossen Sorgen zu machen. Die Mönche dort sind von den chinesischen Touristen so einiges gewohnt… 🙂

    Mir geht es immer umgekehrt. Ich bereue eigentlich am Ende meistens, dass ich kein Foto gemacht habe. Aber ich bin beim Fotografieren allgemein recht zurückhaltend.

    Gruss,
    Oli

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    • Clemens says:

      Hey Oli, das kenn ich zu gut. Manchmal schieß‘ ich halb in Trance ein Foto nach dem anderen. Und dann wieder steh ich einfach nur baff da und vergesse beinah den Auslöser zu drücken…

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  2. Ulrike says:

    Ich glaube nicht, dass der Mönch Dir böse war. Es bringt nur Unglück, jemanden direkt vor einer Buddha-Statue zu fotografieren. Wenn Du ihn gefragt hättest, hätte er sich ein paar sChritte beiseite gestellt und Dir fröhlich ins Objektiv geschaut.
    Wenn man sich auskennt, wird er Dich auch nicht auf irgendeinen Gipfel im Himalaya gewünscht haben. Denn jeder Berg dort ist heilig und Sitz der Götter. 😉
    LG
    Ulrike

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