Montenegro: Ein Land wie eine Fototapete
Die Republik Montenegro wird von Balkanreisenden gern links liegen gelassen. Und das ist auch gut so. Denn allen anderen präsentiert sich der ruhige, kleine Küstenstaat von seinen allerschönsten Seiten: mit kopfsteingepflasterten Altstädten, fjordartigen Buchten und Panoramen wie aus dem Hochglanzprospekt.
Unser Balkan-Roadtrip #BalkanStattBalkonien im Sommer 2014 führte uns nach mehreren Stopps in Bulgarien, Mazedonien und Albanien in ein Land, das kleiner ist als Schleswig-Holstein: ins beschauliche Montenegro.
Beschaulich deshalb, weil viele Straßen nach den fast 90 Jahren der Jugoslawienkriege noch gar nicht richtig für den Verkehr ausgebaut wurden und eher Staubpisten als Landstraßen gleichen. Beschaulich deshalb, weil man auf dem Weg vom albanischen Tirana in Richtung montenegrinischer Küste durch dünn besiedeltes Gebirgsland und Täler fährt, vorbei an urigen Wirtschaften, Weinhöfen und Eselsfarmen. Beschaulich aber auch, weil sich an besagter Küste eine pittoreske Ortschaft an die andere reiht, während sich die Adria an die felsig Küstenlinie von Montenegro schmiegt, als wolle sie nie wieder gehen. Als würde sie hoffen, die Ebbe würde sie nie wieder hinwegziehen vom verträumten Küstenstreifen des Balkanstaates.
Der Hafen von Kotor in Montenegro
Die Schönheit der montenegrinischen Küste entfaltet sich vor dem Besucher wie ein Bilderbuch – und machte uns die Entscheidung leicht, den Rest des Landes ganz frech links liegen zu lassen und uns stattdessen von Bucht zu Bucht, von Berg zu Berg und Altstadt zu Altstadt zu hangeln.
Unser erster Anlaufpunkt war Budva, einer der ältesten Orte an der Adria, der ursprünglich auf einer Insel lag, die mittlerweile durch eine Sandbank mit dem Festland verbunden ist. Die lediglich 19.000 Einwohner bekommen Sommer für Sommer reichlich Zuwachs – von Backpackern, Yachtbesitzern und Honeymoonern.
Typisch Montenegro: In Budva reiht sich eine Bucht an die andere.
Wenn man gemein sein wollte, könnte man Budva als kleine Schwester von Dubrovnik bezeichnen – die unangefochtene Perle der Adria liegt nur einige hunderte Kilometer weiter nördlich in Kroatien.
Das liegt vor allem daran, dass die Altstadt Budvas einen ähnlich romantisch-verklärten Charme versprüht – mit seinen dicken, alten Gemäuern, den versteckten Hinterhöfen, den überaus sympathischen, meist familiengeführten Restaurants an der fotogenen Stadtmauer und der unschlagbare Blick von eben dieser; herunter auf eine Bucht, die sich vor dem Betrachter ausbreitet wie eine riesige Fototapete. Hätte man eine so große Schere zur Hand, man wäre fast dazu geneigt, sie ratzfatz auszuschneiden und einfach mit nach Hause ins graue Deutschland zu nehmen.
Auch das ist Montenegro: die karibischen Farben der Adria.
Ein typischer Tag in Budva sieht ungefähr so aus: Zuerst frühstückst du in dem ruhigen Café um die Ecke, morgens um 8, wenn die Altstadt noch im Dämmerschlaf ist und neben dem Geräusch von dicken Bastbesen auf altem Stein nichts zu hören ist, außer dem Surren von Siebträgermaschinen und dem leisen Rascheln der Palmenblätter über dir.
Willkommen in Montenegro: Wäsche an alten Fensterläden und Muscheln als Souvenir.
Zwei vorzügliche Cappuccini, ein keines Teilchen ebenso eher italienischer Art und einen kleinen Plausch mit dem etwas entrepreneurhaften, jungen Cafébesitzer später, lässt du dich durch die kopfsteingepflasterten Gassen der Altstadt treiben. Du flachst mit den Besitzern der Handwerksläden herum, holst dir irgendwo ein Eis auf die Hand und schlenderst mit ihm vorbei an der dreischiffigen Kirche des Heiligen Johannes des Täufers aus dem 9. Jahrhundert und weiter zur mittelalterlichen Stadtmauer.
Bevor du auf diese hinaufkraxelst, wirfst du noch einen Blick in die ehrwürdige, orthodoxe Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit aus dem Jahre 1806. Soviel Historie muss sein.
Stufe für Stufe auf die mittelalterliche Stadtmauer von Budva in Montenegro.
Und dann ist er plötzlich da: der weite Blick auf die Bucht von Budva. Während dir das Eis bei den mittlerweile gut lauwarmen Temperaturen in der Hand zerrinnt, bist du wahrscheinlich damit beschäftigt, diese surreale Aussicht mit allen möglichen Kameras festzuhalten, die du bei dir trägst. Endlich macht die Panoramafunktion deines Smartphones mal richtig Sinn.
Aber warte mal! Sind das da rechts, wenn du der Küste entlang schaust, etwa noch weitere Buchten? Kaum hast du dich an diesen Gedanken verliebt, schlängelst du dich auch schon an den ausgetretenen Pfaden der felsigen Küste entlang bis zur nächsten ruhigen Badebucht, wo du den Moment in einer Bar mitten auf dem Fels mit einem frisch gezapften, montenegrinischen Radler begießt.
Der Hauptstrand von Budva ist immer gut gefüllt – im Gegensatz zu den kleiner Buchten.
Nachdem du den Nachmittag schließlich auf ebenso höchst montenegrinische Art vertrödelt hast – man muss sich ja schließlich anpassen – kehrst du abends in eines der vielen Fischrestaurants am Hafen ein. Und während du deine saisonal und kongenial zubereitete Fischplatte verspeist und über dir bereits eine Handvoll gieriger Möven kreist, geben irgendwo auf der Promenade ein paar Straßenmusiker ein Stelldichein. Balkanbeats mal unplugged. Willkommen in Montenegro!
Noch nicht überzeugt? Kein Problem. Die Busse weiter nordwärts fahren im halbstündigen Takt nach Kotor, dem Tor zur steil abfallenden und durch Buchten gegliederten Steil-Küste der Adria. Vom Busbahnhof sind es nur wenige Gehminuten entlang der im 14. bis 17. Jahrhundert errichteten Stadtmauer zur palmengesäumten Uferpromenade, von wo man durch das imposante Seetor direkt hinein in die Altstadt gelangt und weiter zur imposanten St. Tryphon Kathedrale.
Während die noch ältere Altstadt von Kotor der von Budva auf den ersten Blick in vielen Punkten ähnelt, wird der größte Unterschied erst von oben erkennbar: nämlich vom Berg St. Giovanni und der Festungsanlage Sveti Ivan aus, die hoch über Kotor thront.
Von hier offenbart sich einem ein Wahnsinnsausblick auf die Küstenlinie. Eine fast 30 km lange, von hohen und steilen Bergflanken gesäumte, stark gewundene und fjordartige Bucht, die etwas an Norwegen erinnert – nur eben in der Adria.
Spätestens bei diesem Anblick dürfte jedem klar werden, dass Montenegro etwas Besonderes ist. Und dass weder Budva noch Kotor die kleine Schwester von irgendwas sein müssen, sondern lieber ihren ganz eigenen Charme versprühen. Und das machen beide ziemlich überzeugend. So idyllisch liegen sie in ihren Buchten, dass man sie am liebsten umarmen würde. So charmant heißen einen ihre kopfsteingepflasterten Altstädte willkommen, dass man sie sofort ins Herz schließt. So viele Panoramen entfalten sich vor dem Auge des Betrachters, dass ich für meinen Teil beim nächsten Besuch auf jeden Fall eine ganz große Schere mitbringe.
Gute Reiseliteratur? Meine Empfehlungen für Montenegro:
Wenn ihr einen wirklich praktischen Reiseführer braucht, kann ich besonders den Lonely Planet Montenegro ans Herz legen, der gerade für Backpacker und Individualreisende tolle Tipps parat hat, inkl. Busverbindungen und guten Tipps für Hostels.
Lust auf einen Balkantrip? Spätestens nach diesem Fotoessay: Die Balkanländer in 10 Instagrams.
Ein Beweis, dass Bulgarien mehr kann als Sonnenstrand-Ballermann? Ich hab drei Hände voll. Hier geht’s lang: 15 Fakten zu Bulgarien die beweisen, dass das Land mehr kann als Ballermann.
Meine Empfehlungen sind Affiliate-Links von Anbietern denen ich vertraue. Wenn ihr was bestellt, bekomme ich ein paar Cent Provision. Super, oder?
Und nette Idee mit der Schere 😉 Montenegro war auf meinem Balkan-Trip letztes Jahr auch mein Favourite!
Dabei sind Budva und Kotor erst der Anfang, es gibt im Landesinneren noch wirklich unglaublich schöne Orte wie den Durmitor Nationalpark, Tara-Schlucht, Mt. Lovcen, Ostrog, Skutari-See… und weiter südlich an der Küste noch Stari Bar, Ulcinj, Ada Bojana…. Schnell noch hin, wer weiss wie lange Montenegro noch ein Geheimtipp bleibt!
Oh je, ich muss ganz schnell nochmal hin. Die Küste war ja schon der Hammer! Wie lange warst du denn dort Stefanie? Ich glaube man kann schon gut zwei Wochen rumreisen, wenn man viel sehen will, oder?
Herzlich willkommen! :)) Ich lebe in Montenegro und bin dabei da auch als Reiseleiter beschaeftigt, es freut mich immer wieder wenn andere über unser Land was schreiben und unsere atemberaubende Berge und Küste mit der ganzen Welt teilen möschten und JA es gibt noch viel,viel und viel mehr montenegrinischer Natur zu bewundern, wie die nette Dame es gesagt hat. Sie brauchen auch wirklich ungefähr zwei Wochen um Montenegro richtig voll und ganz kennenzulernen!
Wir freuen uns schon auf Ihren nächsten Besuch! 😀
Montenegro ist ja tausend Mal schöner, als ich es mir vorgestellt habe 🙂
Spätestens seit deinem Bericht steht Montenegro auf unserer Balkan-Reiseliste ganz oben 🙂 Tolle Bilder, die Lust auf Meer machen!
Ein Traum! Ich muss auch mal Montenegro besuchen 🙂
Du wirst es glaube ich nicht bereuen!
uneingeschränkte Zustimmung … War viel schon auf Reisen und habe mich sofort beim ersten Besuch in das Land Montenegro verliebt … Lebe jetzt seit 2014 hier.
Oh ich will auch mal eine Weile in Montenegro leben, das wär’s!
Ein schöner Bericht. Aber wie Stefanie schon sagt, Montenegro ist nicht nur Budva und Kotor. Eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Budva besteht mittlerweile fast nur noch aus mehrstöckigen Betonburgen und ist vollständig „zugebaut“. Die Führungsriege um den ehemaligen Bürgermeister wurde im letzen Jahr verhaftet. Und trotzdem geht der Wahnsinn weiter und noch immer entstehen neue Hochhäuser direkt im Zentrum. Obwohl sich Montenegro bereits 1992 zum „ökologischen Staat“ deklariert hat, ist man selbst heute davon noch weit entfernt.
Ich lebe seit 2008 hier und vermiete Ferienwohnungen an Gäste aus Deutschland und begleite entsprechend auch Ausflüge. Wie Stefanie bereits geschrieben hat, ist die Region um Bar mit der dazugehörigen Altstadt und dem nahe gelegenen Skadar-See nach wie vor ein Paradies. Zumindest wenn man eher auf Natur denn auf Party steht. Gleiches gilt auch für Ulcinj, die südlichste Stadt mit ihrem 12 Kilometer (!) langem Sandstrand. Und in der alten Meerwasser-Saline kann man sogar Flamingose beobachten!
Man sollte schon 14 Tage einplanen, wenn man das Land wirklich kennenlernen möchte. Denn ausser der Küste gehören insbesondere im Norden die echten Schönheiten des Landes auf jeden Fall dazu. So sehen es auch unsere Gäste, die immer mit einem Lächeln im Gesicht von den Ausflügen in den Norden zurück kehren….
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