Tai O Village in Hongkong: Wie aus der Zeit gefallen
Tai O Village liegt auf Lantau Island in Hongkong und ist ein traditionelles Fischerdorf. So traditionell, dass es wirkt, wie aus der Zeit gefallen. Dort, wo die Hütten auf Stelzen gebaut sind und die Menschen noch von Salzfisch und Garnelenpaste leben, scheinen die Uhren anders zu ticken. Hier ist die asiatische Supermetropole Hongkong noch das, was es mal war: ein einfaches Fischerdorf am Chinesischen Meer.
Das beschauliche Tai O Village ist die wohl älteste menschliche Siedlung auf der Insel Lantau. Wer aus den Hochhausschluchten der chinesischen Supermetropole Hongkong den Weg bis hier her schafft, dem wird es nicht schwer fallen, das zu glauben. Denn viel scheint sich seit der Besiedlung an diesem Ort nicht getan zu haben.
Im Gegenteil, es offenbart sich dem Besucher eine bizarre Fischeridylle, die ein wenig wirkt wie eine Mischung aus Fluch der Karibik und Kevin Costners Waterworld. Fast glaubt man Johnny Depp würde hinter dem nächsten Kahn auftauchen und mit einem harten Stück Salzfisch herumwedeln.
Tatsächlich war das Fischerdorf noch vor Hundert Jahren einer der wichtigsten Handels- und Fischereihäfen Chinas. Hier wohnen noch heute die Nachfahren des Volkes der Tanka, einer Gemeinde südwestchinesischer Migranten, die tatsächlich näher mit den Völkern Südostasiens verwandt sind als mit den Han-Chinesen.
Das Besondere aber ist, dass sie ihre Häuser, sogenannte Pang uks, zum Schutz vor Hochwasser seit Generationen auf Holzstelzen über dem Watt von Lantau Island errichten, wodurch dem Ort einen leicht unwirklichen Charme verpasst hat.
Andere Bewohner von Tai O wiederum wohnen in sogenannten Sampans, chinesischen Hausbooten, die sich, so scheint es, seit Jahrzehnten nicht vom Fleck bewegt haben. All das brachte Tai O den schmeichelhaften Beinamen „Venedig Hongkongs“ ein.
Auch heute noch zeugen etliche alte Salzpfannen an der Küste davon, dass die Tanka traditionell von der Salzgewinnung lebten. Die meisten davon wurden aber längst aufgeschüttet, um Häuser darauf zu bauen.
Dennoch spielt der Fischfang auch heute noch eine große Rolle im Leben der Einheimischen, was man als Besucher des Marktes schnell feststellt. Es wimmelt nur so von Fischen aller Art: frischem Fisch, getrocknetem Fisch, gesalzenem Fisch, frittiertem Fisch, Fischbällchen, Fischfilets, Fischpaste.
Vor allem viele ältere Menschen leben auch in 2015 noch vom Fischen, von der Entenzucht und der Herstellung der berühmten Garnelenpaste, einer in der asiatischen Küche häufig verwendeten Würzpaste, die aus fermentierten Garnelen besteht und für europäische Zungen vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig schmecken mag.
Auffälliger hingegen ist der überall in der sengenden Sonne zum Trocknen aufgehängte gesalzene Fisch, der einem beim Spaziergang durch die engen Gassen schon von weitem silbern entgegen blitzt. Und noch etwas ist allgegenwärtig in Tai O: der markante Fischgeruch, der wie eine Dunstglocke über den Straßen hängt.
Wer die lokalen Fischerzeugnisse dann doch lieber frisch zubereitet probieren möchte, der sollte in eines der urigen Restaurants entlang der Tai O Market Street einkehren. Hier gibt es alles von Krabben und Shrimps bis zu gedämpfte Fischbällchen frisch und liebevoll zubereitet.
Der Schritt zur Moderne wird hier ganz klein zelebriert und kommt mit ein wenig Wehmut daher, wenn man alte Fotografien des Fischerdorfes sieht. Einst war die kleine Insel Tai O nur mit einer 15 Meter langen, seilgezogenen Fähre mit Lantau verbunden. Ein Transportmittel, das tagein tagaus von keinen geringeren gezogen wurde, als von alten, rüstigen Tanka-Frauen; eine Attraktion für sich, die 1996 leider durch eine manuell betriebene Zugbrücke ersetzt wurde.
Erfreulicheres gibt es auf der anderen Seite der Shek Tsai Po Street. Wer die Promenade entlang spaziert, der gelangt nach etwa 20 Minuten zur wundervoll restaurierten alten Tai O Polizeiwache auf einem kleinen Hügel nahe dem Fähranleger. Das 1902, also lange Zeit vor Costner und Depp, errichtete Gebäude wurde tatsächlich erbaut, um die umliegenden Gewässer vor Schmuggel und Piraterie zu schützen.
Genau hundert Jahre später aber wurde der altehrwürdige Bau jedoch in ein Hotel umgewandelt, das Tai O Heritage Hotel – ein schöner Ort, der zum Verweilen einlädt, vielleicht auch um dem eigenen Geruchsorgan eine kleine Verschnaufpause vom allgegenwärtigen Fischgeruch des Marktes zu gönnen.
Und sollte dieser dann doch nicht recht loszukriegen sein, empfiehlt sich für eine geringe Gebühr eine Bootstour mit einem der recht einfachen Fischerboote entlang des Flusses und dann hinaus aufs offene Meer (Abfahrt an der Fußgängerbrücke). Hier weht einem nicht nur die warme, salzige Brise des Südchinesischen Meeres entgegen, mit viel Glück kann man in der richtigen Jahreszeit auch den Chinesischen Weißen Delfin sehen, eine Delfinart, die aufgrund ihres rosa anmutenden Äußeren von den Einwohnern auch liebevoll Pink Dolphin genannt wird.
Keine Sorge, zurück im Tai O Village lullt einen der strenge Fischdunst schnell wieder ein. Fast so, als wolle er alles bis auf ewige Zeiten konservieren. Bisher hat das ja ganz gut geklappt.
Anreise nach Lantau und zum Tai O Fishing Village:
1. Anreise zum Tai O Village mit der MTR:
MTR Station Tung Chung. Nehmt den Bus Nr. 11 bis Tai O Busbahnhof (die Fahrt dauert ca. 50 Minuten). Dann fünf Minuten Spaziergang zur seilgezogenen Ferry Bridge.
MTR Station Tung Chung, Exit B. Ngong Ping cable car zum Ngong Ping Village (ca. 25 Minuten). Von dort Bus Nr. 21 ca. 20 Minuten zum Tai O Busbahnhof.
2. Anreise zum Tai O Village mit dem Bus:
Tai O kann mit dem Bus (New Lantau Bus) von folgenden Orten erreicht werden:
Mui Wo – Bus Nr. 1
Tung Chung – Bus Nr. 11
Ngong Ping – Bus Nr. 21
Der Tai O Fähranleger ist nahe am Tai O Bus Terminus und verbindet Tuen Mun, Tung Chung und Sha Lo Wan mit Tai O.
Gute Reiseliteratur? Meine Empfehlungen für Hongkong:
Der Lonely Planet ist im Vergleich zu vielen anderen Hongkong Reiseführer relativ up-to-date und daher mal wieder zu empfehlen. Ansonsten mag ich die Zeitschrift Mare, die einen wundervollen ersten Eindruck der Metropole verschafft.
Noch ein Tipp für HK: Mit der App My Hong Kong Guide könnt ihr euch eine persönliche Sightseeing Tour zusammenstellen und diese jederzeit vom Smartphone abrufen. Folgt mir auch zum Sichuan-Kochkurs und kommt mit auf eine nostalgische Fahrt mit der alter Hong Kong Straßenbahn in meiner Stadt meiner Träume.
Offenlegung: Danke ans Hong Kong Tourism Board für die Einladung nach Hongkong. Alle Meinungen, Übertreibungen und schlechten Witze sind meine eigenen.
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Schöne Eindrücke! Genau das hätte ich in Hongkong eigentlich auch noch gern gesehen, aber bei drei Tagen fehlt einfach die Zeit … Das mit der Salzgewinnung wusste ich gar nicht, liegt aber auch nahe, wenn die Einwohner von Salzfisch leben 😉
LG
Shaoshi
Auch ich war in Tai O – und dein Artikel drückt alles perfekt aus, was auch mir so dort durch den Kopf gegangen ist. Ich war zu den Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr dort und konnte die Drachentänzer von Haus zu Haus ziehen sehen……
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