Streetart in London: Auf Spurensuche in Shoreditch und im East End
Streetart und Shoreditch sind ungefähr so unzertrennlich wie England und der 5 o’clock tea. In kaum einer Stadt Europas ist Streetart so dermaßen angekommen wie in London. Anfang November hab ich eineinhalb Wochen in Englands Hauptstadt verbracht und hab die Zeit genutzt, um mir dieses Sammelsurium ausgelebter Kreativität mal genauer anzuschauen.
Was schon nach wenigen Hundert Metern auffällt: Das ganze East End in London ist voller Straßenkunst. Vor allem der hippe Stadtteil Shoreditch mit seiner angenehm jungen Mischung aus Bars, Cafés, Agenturen, Boutiquen und Nachtleben platzt fast vor Kreativität.
Und das ist echt nicht übertrieben, denn an jeder Ecke scheint sich ein anderes kreatives Köpfchen mal so richtig ausgelebt zu habt. Jeder namhafte Künstler hat hier schonmal seine Spuren hinterlassen – vom belgischen Graffiti Artist ROA über den französischen Streetart-Künstler Invader bis zum wohl berüchtigtsten von allen: Mr. Banksy himself.
Der Begriff Streetart ist in London ziemlich groß gefasst. Du findest alles Erdenkliche und Dinge, von denen du wohl bisher gar nicht wusstest, dass sowas zum Überbegriff Streetart gehört. Von klassisches Graffitis über richtige Gemälde, umdesignte Straßenpoller und Poster, Tags, Sticker, Stencils, Paste-ups bis hin zu aufwendigen Skulpturen und Ambient-Stunts wie dem berühmten von Banksy zertrümmerten Auto, das du auf den folgenden Fotos siehst.
Banksy lässt seine Kunstwerke ja bekannterweise für sich sprechen. Was man da hinein interpretiert sei an dieser Stelle deshalb lieber jedem selbst überlassen… Daneben ist aber noch was tolles! Da siehst du den Teil einer Installation bestehend aus einem riesigem Bogen. Nur wer auf die anderen Seite des Platzes schaut, erkennt dort an der Häuserfassade nicht weniger riesige Pfeile, die darin stecken, als hätte ein Jäger das Haus erlegt.
Wo man die beste Streetart in London findet
Du fragst dich, wie man die einzelnen Kunstwerke finden soll, ohne ewig durch die Straßen von East London zu irren? Berechtigter Einwand. Das ist aber gar nicht so schwierig. Klar, du kannst einerseits eine der Streetart Touren buchen, die überall im Netz angeboten werden. Dann bist du auf der sicheren Seite und hast ein richtigen Ortskundigen und besonders großen Street Art Fan, der dir in 2-3 Stunden seine liebsten Ecken zeigt.
Oder aber, du gehst einfach der Nase und all den hippen Menschen auf der Straße nach, dann wirst du automatischen auch an unzähligen Kunstwerken vorbeikommen. Das Wichtigste dabei ist, dass du dich auch in enge Gassen und Hinterhöfe hinein traust. Dort finest du oft ganz unerwartete Kunst.
Auch lohnt es sich ab und an genauer hinzusehen. Denn einige Streetart-Werke sind eher dezent geraten, wie die Space Invader Formationen des gleichnamigen Fließen-Künstlers aus Frankreich – die hängen oft einfach deutlich über Kopf- und damit sicherheitsrelevanter Greifhöhe an Hausfassaden. Daran kann man ziemlich einfach vorbei spazieren. Also einfach mal den Kopf heben beim Laufen und nicht immer aufs Handy schauen.
Wo man die Suche nach Streetart am besten beginnt
Als Ausgangspunkt lohnt sich die Overground Station Shoreditch High Street, wo du auch per Bus von der Liverpool Station gut hinkommst. Von dort gehst du Richtung Osten immer den Straßenbeschilderung nach zum nördlichen Ende der Brick Lane. Diese kannst du dann getrost bis ganz hinunter laufen.
Aber wie gesagt, vergiss auf gar keinen Fall die Seitenstraßen, Einbahnstraßen und Hinterhöfe. Auch lohnt sich für die Suche nach Streetart ein Spaziergang in Richtung Hackney sowie in eigentlich jede Himmelsrichtung von der Shoreditch High Street aus. Du kannst also wenig falsch machen.
Eines der berühmesten Werke von Banksy überhaupt muss heute von gierigen Sammlern und Nestbeschmutzern geschützt werden: mit einer dicken Plexiglasplatte. Irgendwie schade, oder?
In Londoner East End darf natürlich auch die Auseinandersetzung mit dem Rassismus nicht fehlen, vor allen den vielen Bengalen gegenüber, die hier her gezogen sind, fabelhafte Restaurants eröffnet haben aber leider jahrelang bösen Beschimpfungen ausgesetzt waren. Was du hier oben siehst ist eine verniedlichende Interpretation des weißen Mannes und der verschleierten Frau, Hand in Hand.
„Bevor wir Weltfrieden finden, müssen wir Frieden im Strassenkampf finden,“ hat Tupac Shakur einmal gesagt. Wie man sieht leben seine Worte und Werte hier im Londoner Streetart weiter.
Ein Streetart Künstler bei der Arbeit. Hier sogar mal ganz legal am helllichten Tag.
Das hier unten sind zwei der berühmtesten Werke von Streetart-Künstler ROA. Er bettet seine überdimensionalen Tier-Figuren so kongenial in das brüchige, raue Industrieviertel Shoreditch, dass man beinahe erschrickt, wenn man um die Ecke geht und sowas wie das hier erblickt. Ein einem scheinbar radikalen Bruch entsteht aber plötzlich etwas sehr merkwürdig Angenehmes, wie ich finde. Irgendwie hab ich das Gefühl, die Tiere passen zu den kargen Bauten. Oder was meinst du?
Solltest du ein paar Jahre später wieder einmal in London sein, dann begebe dich ruhig gleich nochmal auf Streetart Tour durchs Londoner East End. Das tolle an dieser Form der Kunst ist es nämlich, dass sie sich wie die Natur selbst immer wieder von Neuem erfindet. Große Kunst verschwindet, wird übermalt, abgerissen und ins ungeliebte Museum verbannt. Neue Kunst entsteht. Der Lauf der Zeit macht vor Streetart eben auch keinen Halt. Und das ist auch gut so.
Noch einen tollen Bericht über Streetart in Londons East End gibt es übrigens bei Susi von Black Dots White Spots: Streetart im Londoner East End: Shoreditch.
Meine besten Tipps zu London verrate ich in meinen beiden Travel Guides Englands Hauptstadt mit kleinem Budget und Englands Hauptstadt mit durchschnittlichem Budget.
Und wusstest du denn, dass richtige American Football Spiele in London ausgetragen werden? Mein Erfahrungsbericht zu diesem etwas wahnwitzigen Event findest du hier: Die NFL erobert London!
Hinweis: Vielen Dank an Only-apartments die meinen Aufenthalt in London liebenswerterweise mit einem tollen Apartment in Borough unterstützt haben. Alle Ansichten sind – wie immer – meine eigenen.
Tolle Bilder! Ich war letztes Jahr auf Streetart Tour durch London (mit einem Guide) – super spannend! Am meisten fasziniert hatte mich damals ein Werk, bei dem der Künstler vorher eine Schicht Farbe/Putz auf das Mauerwerk aufbringt und nachdem das getrocknet ist, „meißelt“ er ein Bild daraus. Gibt’s bestimmt einen Fachbegriff für, oder? 🙂
https://www.flickr.com/photos/mandyraasch/10097866004/in/set-72157636207309853 (witzig auch die Überwachungskamera direkt über dem Bild)
Danke Mandy! Stimmt, ich weiß, was du meinst. Sieht super aus, finde ich! Man glaubt echt gar nicht, was alles Streetart sein kann. In Shoredich und im kompletten East End ist das eher wie eine Schnitzeljagd ohne Schnitzel. Man stolpert ständig über Streetart, egal ob man will oder nicht 🙂
Da werden Erinnerungen wach. Wir waren letztes Jahr auch rund um die Bricklane unterwegs und es war der Hammer! Schade, dass es so ein Bengali-Viertel hier in Berlin so nicht gibt.
Ja total, Hipsterviertel hat Berlin ja genug!
Cooler Blogpost! Eigentlich habe ich gar kein Interesse, aber das Titelbild sieht echt klasse aus, da habe ich zugeklickt. Und bin echt überrascht, da sind wirklich interessante Sachen dabei! Tolle Fotos kombiniert mit einer unterhaltsamen Sprache – toller Beitrag!
Wenn ich mal nach London komme gucke ich an ein paar der Ecken mal vorbei..
Lg Jan