Lollapalooza Berlin: Zwischen Radiohead und Mainstream

Auch mit 70.000 anderen Zuschauern erlebt man ein Konzert von Radiohead immer allein. So wie am letzen Tag des Lollapalooza Berlin. Ein Abend, der politischer wurde, als man erwartet hätte. Thom Yorke sei Dank.

Lollapalooza Berlin beim Sonnenuntergang

Irgendwas ist anders an diesem letzen Abend des Lollapalooza Berlin. Das liegt nicht nur daran, dass das Festival lange auf der Kippe stand. Die Anwohner am denkmalgeschützten Treptower Park in Berlin hatten etwas dagegen, vor allem gegen den Lärm der Massen. Diese sind heute aber irgendwie nicht dieselben, wie an den Festivaltagen zuvor. So mancher Festivalbesucher sieht überhaupt nicht aus wie ein Festivalgänger. Stattdessen sieht man Mittvierziger-Pärchen über das Gelände schlendern, ihr musikalisches Interesse scheinbar bis zum Abend aussparend, nämlich für die letzte große Rockband der Welt: Radiohead.

Radiohead fan at Lollapalooza Berlin

Die ebenso in die Jahre gekommenen Herren aus Oxford kommen pünktlich an diesem herrlichen Spätsommerabend und beinahe hat man das Gefühl, die Band wolle aufräumen, was die anderen Musiker des Festivals in den drei Tagen zuvor an musikalischem Wirrwarr geboten hatten.

Tatsächlich war für jeden etwas dabei, vom Abspackgebounce Major Lazors, über das Geschrammel der Kaiser Chiefs bis hin zur 90er-Deutschrap-Melancholie der Beginner. Umso mehr hätte man erwarten können, dass die dann zum Teil doch etwas speziellen musikalischen Ergüsse der Musiker um Mastermind Thom Yorke nicht gerade die Massen anziehen. Falsch gedacht. Heute hat es den Anschein, halb Berlin tummele sich auf dem Lolla, ganz Lolla vor der Bühne von Radiohead.

Radiohead beim Lollapalooza Berlin

Und diese legen gewohnt furios los, mit „Burn the Witch“, dem Opener ihres aktuellen Albums „A Moon Shaped Pool“. Köpfe nicken und Gliedmaßen zittern alles andere als im Takt. Wie man zu Radiohead tanzen soll, scheint keiner so recht zu wissen. Yorke redet auch mit dem Publikum, wenn auch zurückhaltender als sonst. Und wie bei so vielen Radiohead-Konzerten bekommt auch dieses eine politische Nuance, wenn der Leadsänger daran erinnert, dass sie schon einmal an einem 11. September in Berlin spielten, nämlich am 11.09.2001, dem Tag der Anschläge auf das World Trade Center.

Zugegeben, genau 15 Jahre später ist die Welt kaum besser geworden. Und so wiegt sich die Masse nach vier weiteren Stücken aus dem neuen Album bald zu altbekannten Songs wie „2+2=5“ oder „Reckoner“, bei dem sich das beschwingte Mitmurmeln der Massen wie ein zusätzliches Soloinstrument zu den schwebenden Klängen der Band gesellt. Dabei wird die musikalische Kunst visuell unterstützt – mit Visuals, die das Geschehen auf der Bühne wie ein Klanggemälde untermalen.

Zuschauer beim Lollapalooza Berlin

Wie auf Platte, verbindet Radiohead auch live Rock mit Elektronik und Jazzelementen und treibt es dabei manchmal bis zur völligen Klangekstase. Mal legt sich ein Song sphärisch über das Gelände, wie beim melodiösen „Bodysnatchers“, mal zerreißt ein treibender Bass die Luft wie bei den Kid-A-Klassikern „Idiotique“ oder „Everything in it’s right place“.

Aber Radiohead wäre nicht Radiohead, wenn die Band nicht mit den eigenen Konventionen brechen würde. So auch an diesem Abend des Lollapalooza Berlin, wenn sich Radiohead aufmacht, dem Berliner Publikum nach etlichen Jahrzehnten endlich das zu geben, auf was alle warten. „I know it, you know it, they know it“ leitet Yorke schnippisch den nächsten Song ein, und Jubelschreie rauschen über die Massen, als Gitarrist Johnny Greenwood die ersten Klänge des Klassikers „Creep“ zum Besten gibt. Spätestens beim Refrain singen dann auch die hintersten Reihen losgelöst mit – zum Popsong einer Band, welcher der Mainstream längst zu Mainstream geworden ist und die ihm wohl genau deshalb seit 20 Jahren gezielt den Rücken zugekehrt haben.

Lollapalooza Berlin: „I know it, you know it, they know it“

Dann schafft Radiohead mit dem Klassiker „No Surprises“ aus den späten 90ern sogar noch das Unmögliche. „With no alarms and no surprises, silent, siiiiilent…“ fordert Yorke singend die Massen auf. Und es funktioniert. Der schönste Moment in der Oper sei die Stille, so heißt es. Und wie auch dort, sind jetzt alle 70.000 Zuschauer mucksmäuschenstill. Den Anwohnern des Treptower Parks wird es gefallen haben.

Besucher beim Lollapalooza BerlinWerbung für das Lollapalooza BerlinSchilder beim Lollapalooza BerlinLollapalooza Berlin SchaustellerRiesenrad beim Lollapalooza BerlinEssen beim Lollapalooza BerlinAnekdotique Lollapalooza Berlin

Infos zum Lollapalooza Berlin: lollapaloozade.com
Fotos: annewhere.com & Anekdotique

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