Süchtig nach Hongkong – Ein Geständnis

Mein Name ist Clemens und ich bin süchtig. Nicht nach Alkohol oder etwas, was mich schwer krank macht oder irgendwann in der Gosse landen lässt. Ich bin süchtig nach Hongkong.

Süchtig nach Hongkong Anekdotique

Es ist kein Geheimnis, dass ich nichts lieber mache, als reisen und nichts meinen Puls mehr in Wallung bringt, als endlich wieder loszuziehen. Auf ein neues Land freue ich mich wie auf ein neues Gericht, das man probiert.

Und doch gibt es einen Ort, der mich bei jedem Besuch in fast kindliche Aufregung versetzt. Weil ich einfach nicht müde werde, nicht genug bekomme von dieser rauschhaften Metropole.

Ich bin süchtig nach Hongkong.

Hongkong Straßen

Ich bin süchtig nach den engen Straßenschluchten, die so überfüllt sind mit Menschen, dass ich mir vorkomme, wie in einem Haufen wildgewordener Feuerameisen.

Und nach den riesigen Leuchtreklamen aus kantonesischen Zeichen, besonders dann, wenn die alten Glühbirnen hinter der brüchigen Fassade durch einen Wackelkontakt unrhythmisch blinken und die ganze Straße in eine kleine Disko verwandeln.

Hongkong Leuchtreklamen

Ich bin süchtig nach dem Victoria Harbour und dem Blick vom Ufer der Avenue of Stars in Kowloon hinüber auf die andere Seite nach Hong Kong Island.

Wo man bei klarer Sicht von der anderen Uferseite schon mal darauf Acht geben muss, nicht das Atmen zu vergessen, während sich die Augen auf dieser schier endlosen Landschaft aus Beton und Glas verlieren. Hier wird wohl jeder wieder ein wenig zum Kind.

Skyline von Hongkong

Ich krieg einfach nicht genug vom wilden Treiben auf den Straßenmärkten, das alle Sinne auf einmal verwirrt. Wo der Fisch irgendwie fischiger riecht als anderswo, wo die Händler noch konfuser durch die Gegend rufen und abends das Licht der roten Laternen bei jedem Besuch noch greller und noch verwunschener wirkt als beim letzten Streifzug durch die Stadt.

Ich bin süchtig nach den Dai Pai Dong, den urigen Garküchen mit dem Charme von Plastikstühlen über ranzigen Kanaldeckeln die unter Kennern als die eigentlichen Gourmet-Tempel der Stadt gelten. Weil hier mitten auf der Straße der einfache Mann für jedermann den Wok schwingt, egal ob Businesman im Anzug oder einfacher Arbeiter aus dem Norden.

Hongkong Dai pai dong

Wo zwischen Tigerprawns, Pekingente und Krabbelsalat immer noch ein Dimsum reinpasst. Und wo alles irgendwie mit Chili, Ingwer, Koriander und Fischsause so abgeschmeckt wird, dass es keiner so schnell zuhause nach kocht.

Ich liebe das Eau de Hong Kong aus abertausenden Gerüchen, die durch die Straßenschluchten ziehen wie wilde Vagabunden und sich dabei paaren wie die Karnickel und sich immer wieder zu neuen abstrusen Gerüchen vermischen.

Hongkong Architektur

Besessen bin ich vom Kuddelmuddel der Chungking Mansions, jenes unheimlichen Sammelsuriums an telefonzellengroßen Shops und Behausungen, das in Kowloon Kultstatus genießt – nicht zuletzt dank Wong Kar-Wais wundervoll trashiger Hongkong Romanze Chungking Express aus den wilden 90ern.

Dort, wo man sich zurecht fragt, für was der mehrstöckige Bienenbau eigentlich der größere Umschlagplatz ist: für handgemachte Perserteppiche, Chinesische Smartphone-Kopien oder feinstes afghanisches Opium.

Hongkong Star Ferry

Erst recht mag ich die Star Ferry mit ihrem morbiden Industriecharme. Jenes eiserne Fährschiff das seit 1898 tagein tagaus die emsigen Chinesen vom Stadtteil Kowloon auf dem Festland hinüber nach Hong Kong Island und abends wieder zurück führt. Jene Fähre, die so manchem waschechten Hongkonger immer noch lieber ist, als die oft überfüllte MTR, dem riesigen Netz aus hochmodernen U-Bahn-Linien in der Chinesischen Sonderverwaltungszone.

Ja, ich finde sogar Gefallen am beißenden Gestank des alten Motoröls, der sich während der 10-minütigen Fahrt mit dem salzig-fischigen Wind vermischt und von dem man noch Stunden später etwas hat, so gern verfängt er sich in den Haaren.

Ich kann mich für jeden einzelnen Meter begeistern, den sich die altehrwürdige Star Ferry ihren Weg durch die Wogen der Meeresstraße bahnt und für jede Sekunde, in der sich die surrealen Glas- und Betonfassaden immer größer und größer vor mir aufbauen.

Hongkong Victoria Peak

Mal im Ernst, wer kann schon genug kriegen vom Blick von der höchsten Erhebung der Insel, dem Victoria Peak, hinunter auf die Meerenge, hinüber nach Kowloon und Mongkok, bis zu den New Territories und herab auf das größte Wolkenkratzer-Sammelsurium der Welt?

Stunden könnte ich da oben verbringen und einfach nur nach unten schauen, wo sich die Hochhäuser der Reichen und Superreichen stapeln wie Dominosteine und sich dabei bestimmt gegenseitig mit einem noch grandioseren Ausblick übertreffen.

Und dann ist da ja noch das Highlight jeden Tages: die blaue Stunde, jene so besonderen Färbung des Himmels in den wenigen Minuten zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit. Ich bin süchtig nach dem Moment, in dem die Lichter der Stadt peu à peu angeschaltet werden, wenn der Himmel blau zu glitzern beginnt und die Skyscraper-Ikonen anfangen in den abstrusesten Farben zu funkeln wie Fahrgeschäfte auf dem Jahrmarkt.

Hongkong Skyline Nacht

Ewig könnte ich mit dem Central Escalator fahren, der längsten Rolltreppe der Welt, einem ausgeklügelten System aus Laufbändern und -treppen, dass seit 1996 die Stadtteile Central und Mid-Levels miteinander verbindet und täglich tausende Arbeiter von ihren Wohnungen ins Büro und zurück befördert.
Stundenlang könnte ich einfach nur von A nach B fahren und der Welt dabei zuschauen, wie sie sich um mich weiterdreht.

Escalator in Hong Kong

Sogar am unbändigen Wirrarr Hongkongs finde ich Gefallen. Während sich andere in asiatischen Metropolen wie dieser schnell beengt fühlen, wer mag es ihnen verübeln, finde ich in der Masse eine Herausforderung, in der Enge eine merkwürdige innere Ruhe.

Was gibt es Besseres, als hoch auf einer Brücke in Causeway Bay zu stehen und auf einen der riesigen, schreiend gelben Zebrastreifen hinabzublicken, die Sekunden der Ampel herunter zu zählen, bis sich hunderte Passanten auf einen Schlag in Bewegung setzen?

Hongkong Menschen

Und im Anschluss flüchtet man vor der Mittagshitze in eines der buddhistischen Gotteshäuser wie dem Man Mo Tempel in Central, wo plötzlich alle gleich sind. Wo groß und klein, arm und reich nebeneinander ihrem Glauben frönen, nur um kurz darauf wieder alleine in die Wildnis der Großstadt abzutauchen.

Hongkong Man Mo Tempel

Oder in eine der grünen Oasen der Stadt, wie dem Hollywood Road Park, Orte der Ruhe, in die man hinein taucht wie unter eine Glocke aus Panzerglas, fernab von der Hektik der Großstadt.

Jeden zweiten oder dritten Tag könnte ich hinausfahren aus dem Dunst von Central in die Naherholungsgebiete der Einheimischen: nach Aberdeen, Stanley oder Lantau Island, wo man in nur 30 Minuten in einer völlig anderen Welt landet.

Hongkong Park

Auch krieg ich nicht genug von den wilden Nächten in den Barvierteln Wan Chais und in Lang Kwai Fong, wo man das Leben feiert, als würde es kein Morgen geben, und wenn, dann mit einem ordentlichen Schädel.

Und doch bin ich am nächsten Tag wieder glücklich, wenn ich das eindringliche, metallische Klappern und Dröhnen der doppelstöckigen Trams vernehme, die sich seit über Hundert Jahren ihren Weg durch die Schluchten Hongkong Islands bahnen und der modernen Welt weiterhin trotzen. Pure Melancholie aus Stahl.

Hongkong Tram

Ich bin süchtig nach einer Stadt, die jeden Tag anders ist, die sich bei jedem Besuch in einem neuen Gewandt präsentiert und dabei wie ein Künstler Beständiges mit Neuem vermischt, eine Stadt in der alles und nichts kommt und geht.

Ja Hongkong, ich bin süchtig nach dir. Und diese Sucht gebe ich nicht nur gerne offen zu, nein ich schreie sie in die Welt hinaus und werde sie so lange und so oft füttern, wie ich nur kann. Ich brauch’ keine Therapie. Die Therapie bist du.

Offenlegung: Danke ans Hong Kong Tourism Board für die Einladung nach Hongkong & dass ich meiner ewigen Affäre wieder einen Besuch abstatten durfte. Alle Meinungen, Übertreibungen und schlechten Witze sind meine eigenen.

Gute Reiseliteratur? Meine Empfehlungen für Hongkong:

Der Lonely Planet ist im Vergleich zu vielen anderen Hongkong Reiseführer relativ up-to-date und daher mal wieder zu empfehlen. Ansonsten mag ich die Zeitschrift Mare, das einen wundervollen ersten Eindruck der Metropole verschafft.

Lust auf China? Dann klickt euch auch zu den 10 Dingen, für die Peking eine Reise wert ist, folgt mir zu dem Sichuan-Kochkurs mit 1000 Chilis und 6 Frauen und kommt mit auf eine nostalgischen Fahrt mit der alten Hong Kong Straßenbahn.

Meine Empfehlungen sind Affiliate-Links von Anbietern denen ich vertraue. Wenn ihr was bestellt, bekomme ich ein paar Cent Provision. Super, oder? 

Wart ihr schonmal in Hongkong? Plant ihr eine Reise oder habt Fragen? Rein in die Kommentare!

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  1. Sören says:

    Hi Clemens,
    super Text und schöne Fotos. Liebäugele seit zwei Jahren mit einem Besuch in HK, deine Erfahrungen haben meine Sehnsucht nochmal angekurbelt.
    LG, Sören

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  2. Laura says:

    Hi Clemens,

    lieben Dank für Deinen Artikel, der mir übrigens von TRANSIT @mdsdns empfohlen wurde 🙂
    Ich bin im November aufgrund eines nächtlichen Stopovers in Hongkong und habe damit ca. 9 Stunden Zeit, ab etwa 22 Uhr Ortszeit die Stadt zu erkunden. Sollte ja kein Problem sein den Flughafen zu verlassen, hatte in Asien bisher zumindest nie Probleme damit, oder? Und vor allem, was kann ich mir entspannt angucken, was muss ich sehen oder aber: wie bekomme ich die 9 Stunden kurzweilig rum? 🙂 Hast Du da ein, zwei Tipps? Das wäre wundervoll!
    Herzliche Grüße aus dem Pott 🙂
    Laura

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    • Clemens says:

      Hallo Laura, absolut kein Problem. Mit dme Airpot Express bist du in 20 min in der Stadt. Ich würde wohl nach Kowloon an den Pier fahren und dann vielleicht mal in Wan Chai oder Lan Kwai Fong auf einen Drin. Da ist abends immer was los. Viel Spaß dir!

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  3. Michael Zapf says:

    Sie sprechen mir aus dem Herzen! Hongkong ist die faszinierendste Stadt auf diesem Planeten, Ich kann ohne diese Stadt nicht leben, war alleine letztes Jahr dreimal dort… Ich wünsche Ihnen bei ihren weiteren Aufenthalten dort viel Spaß! Grüße aus Bayreuth, Michael Zapf

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  4. Peter Lauer says:

    Mir geht es ebenso. Ich kenne die Welt wirklich gut, aber mein Lieblingsplatz ist Hongkong. Und das tolle ist: In wenigen Stunden geht es wieder los! Ich freue mich schon wie ein kleines Kind vor der großen Fahrt an die Ostsee.

    Tipp: Wem es irgendwann zu hektisch wird in der Stadt (und einen Europäer kann das schon mal überfordern nach ein paar Tagen) der fährt mit der Fähre nach Cheung Chau Island. Wunderschöne Insel, kein Autoverkehr und die ausflügelnden Chinesen bleiben alle am Hafen zum Essen und Einkaufen.

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