Happy Holi: Das Fest der Farben gibt es jetzt sogar in Indien!
Das Holi Festival ist derzeit in aller Munde. Und die ganzen Farben erst recht. Ob in Kapstadt, Berlin oder Wanne-Eickel – auf der ganzen Welt treffen sich junge, feierwütige Menschen und bewerfen sich zu hämmernden Elektrobeats gegenseitig mit buntem Farbpulver. Stellt euch vor, diese Partyreihe hat es jetzt sogar bis nach Indien geschafft.
Die Inder feiern das aber irgendwie anders. Nämlich so ganz ohne Strom und mit einfachen Trommeln. Nicht in großen Eventlocations, sondern einfach mitten in der Stadt – praktisch überall. Sie haben auch keinen Countdown, der zu dem Augenblick hinführt, an dem alle gleichzeitig ihre Farbe in die Luft werfen, um ihn daraufhin mit einem Smartphone festhalten und der Erste zu sein, der es auf Facebook oder Instagram postet. Darum geht’s denen gar nicht.
Und was total abwegig ist: nicht nur die hippe Jugend, sondern sogar Kinder und alte Menschen nehmen daran teil. Dabei ist in Indien noch nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, Eintritt dafür zu verlangen. Geschweige denn, Werbung dafür zu machen. Schon komisch, diese Inder…
Ich habe mir die indische Version des Holi Festival of Colours mal genauer angesehen – im südindischen Bundesstaat Karnataka, genauer gesagt in einer kleinen Stadt namens Hampi.
„Happy Holi!“ Es begann mit dem freudigen Gekreische indischer Kinderscharen und lautem Trommeln, das immer näher kam auch wenn man nicht genau wusste, aus welcher Richtung. Das ganze Dorf hatte sich schon in Schale geschmissen, soll heißen, bestenfalls in weiße Kleidung. Nach dem indischen Frühlingsfest, das auch sehr treffend Fest der Farben genannt wird, kann man diese mit Sicherheit wegschmeißen. Oder mit dem fertig gebatikten Outfit höchstens die Besucher einer Jugendfreizeit oder Alt-Hippies am Strand von Goa beeindrucken.
Der Grund: Bei diesem Fest, das mindestens zwei Tage und in manchen Gegenden sogar bis zu zehn Tage lang andauert, bewirft und bespritzt man sich gegenseitig mit buntem Farbpulver oder -wasser. Dieses meistens mit Pflanzenfarben gefärbte Pulver, das Gulal genannt wird, hatten wir schon am Vortag an einem Stand auf dem Markt erstanden, wobei uns die eifrige Verkäuferin voller Hingabe erklärte, welcher Farbe welche Bedeutung zukommt. Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass man schon in den Tagen vor Holi eine gewisse Anspannung in Hampi spüren konnte. Man merkte insgeheim, dass ein großes Ereignis bevorstand und dass sich die ganze Stadt in freudiger Vorbereitung darauf befand.
Das Trommeln kam näher und näher: ein ohrenbetäubender Lärm aus rhythmischen Beats, Gekreische, Jubel und Gelächter. Jetzt gab es also kein zurück mehr. Und da ich nicht komplett unvorbereitet sein wollte, mischte ich in einer 0,5 l Plastikflaschen ein wenig Farbe mit Wasser und stach in den Deckel ein kleines Loch. (Sowas wie eine indische Variante einer Super Soaker.) Irgendeine Art von Waffe braucht man ja schließlich. Denn auf eine merkwürdige Art und Weise, verhieß das Trommeln nicht nur Gutes. Ja, unsere Vorbereitung erinnerte sogar ein wenig an Jugendbanden, die eine Ungereimtheit auszutragen haben.
Dann ging es los: raus aus der Herberge, rein ins Getümmel. Ohrenbetäubendes Getümmel. Kaum war ich auf der Straße, klatschte mir schon eine Hand auf die Wange und eine Wolke aus grünem Farbpulver bahnte sich direkt vor meinen Augen ihren Weg. Na gut, so läuft das also, dachte ich mir. Also auf ihn mit Gebrüll!
Das wilde Treiben mag vielleicht etwas ruppig wirken, dabei merkt man als Erstbesucher aber recht schnell, dass alles nur Spaß ist und dass niemand seinem Gegenüber weh tun will, sondern genau im Gegenteil: dass alle einfach nur Spaß haben wollen. Einer für alle und alle für einen. Denn an diesen wenigen Tagen im Jahr werden nicht nur alte Streitigkeiten begraben, vor allem sind alle Schranken durch Kaste, Geschlecht, Alter und gesellschaftlichen Status aufgehoben. Beim Holi sind alle gleich. Und das merkt man schnell.
Nämlich dann, wenn Inder und Touristen sich mit knallbuntem Pulver beschmeißen, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Dann, wenn alle Sprachbarrieren aufgehoben sind. Wenn plötzliche Freundschaft durch gegenseitiges Beschmieren mit einem dickflüssigen Sud aus Farbe und Wasser entstehen. Wer braucht schon Worte, wenn es Farbe gibt? Und ein Lächeln dazu. In den Tagen des Festes macht das Wort „farbenfroh“ endlich einmal richtig Sinn.
Holi ist den Indern heilig – nicht nur aufgrund der sprachliche Nähe zum englischen „holy“. Wie besonders das Fest ist, merkt man dann, wenn sich Inder aller Altersstufen und Menschen aus allen Herren Länder mit „Happy Holi, happy Holi!“ begrüßen – und zwar mit so großer Freude in der Stimme, als würde es sich um ein lang erwartetes Wiedersehen handeln. Oder dann, wenn dir ein kleines indisches Mädchen ihr schmales Ärmchen entgegenstreckt und dich mit einem bezaubernden Lächeln um eine Handvoll Farbe bittet. Oder wenn ein fast zwei Meter großer Tourist einen kleinen indischen Jungen wie selbstverständlich Huckepack nimmt, damit er in der Masse nicht untergeht, und dieser dann stolz wie Bolle und mit einem strahlenden Gesicht oben auf den Schultern sitzt wie der König von Karnataka. In solchen Momenten hat die Feierlichkeiten etwas unheimlich Schönes, ja fast schon Magisches an sich.
Es mag wohl kaum jemanden überraschen, dass das traditionelle Holi so ganz anders ist als die Elektrosause in Rio, Berlin oder Hintertupfingen. Dabei haben auch diese Veranstaltungen durchaus ihre Daseinsberechtigung – vor allem für jene, die das indische Pendant nie kennengelernt haben oder vielleicht gar nicht kennenlernen wollen.
Ich wünschte nur, dass man sich in der westlichen Welt noch in zehn Jahren daran zurückerinnert, dass es einmal eine Zeit gab, in der das Wort Holi nicht mit Karten-VVK, Kalkbrenner und Instagram assoziiert wurde, sondern mit einem Brauch, der es seit Jahrhunderten schafft, selbst im Kasten geprägten Indien alle Grenzen auszuhebeln. In diesem Sinne: Happy Holi!
HARD FACTS
Ort: hauptsächlich Nordindien, aber auch in anderen Landesteilen
Zeit: Vollmondtag des Monats Phalguna (Februar/März)
Dauer: mindestens zwei, in einigen Gegenden auch bis zu zehn Tage
Eintritt: 0,00 Rupien
Farbpulver: 10 Cent/Farbbeutel
Wirklich großartiger Artikel! Musste sehr lachen.
Oh danke Marianna, das freut mich!
Nice copy, beautiful pictures, great blog! 🙂
This looks so fun!
Hi Graeme, it definitely was! I’ll publish this article in English as soon as possible, so you can also read the anekdotique! Hope you’ll like it even more than.
Hallo Clemens!
Super schöner Beitrag, die Bilder gefallen auch wirklich gut! Schön, dass auch einmal die traditionell indische Version des Festivals beleuchtet wird und nicht immer nur die kommerzialisierte Variante, die mittlerweile als fast schon wieder ausgebrannter Mainstream in den Rest der Welt übergeschwappt ist. Hat mich sehr gefreut den Beitrag zu lesen. Macht auf jeden Fall Lust das alles auch einmal persönlich mitzuerleben! 🙂
Liebe Grüße
Sarah
Hi Sarah, danke für die Blumen. Wenn du mal die Chance hast vor Ort in Indien beim Holi Fest dabei zu sein, musst du es unbedingt machen. Scheiß auf 3 Wochen grüne Strähnen in den Haaren 😉
Danke für den schönen Bericht, Clemens. Und mit deinen Hard Facts zum Abschluss hast du gerade den Termin für meine geplante Indienreise im nächsten Jahr festgelegt. 😀
Yeah! Sehr gut, das freut mich! Gute Reise Marcus!
Hallo Clemes,
was ein super toller Bericht!! Ich bin zufällig auf deinen Blog gestoßen und hab ein bisschen geschaut, aber dieser Bericht ist wirklich klasse!! Auch die Bilder sind wunderschön 🙂
Man saugt die Wörter und Bilder so weg und wäre am liebsten direkt dabei gewesen 🙂 Echt toll!
Ich bin gespannt welche Berichte mich noch auf deinem Blog erwarten 🙂
Herzliche Grüße
Anni 🙂
Oh das freut mich Annika. Dann hab viel Spaß auf Anekdotique!
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