Beduinen in Wadi Rum und Jamal, der Kamelflüsterer
Die Wege der Weisheit führen durch die Wüste – das besagt zumindest ein Sprichwort der Beduinen. Dabei wär mir ein Glas Wasser jetzt eigentlich lieber als unnützes Wissen. Ich bin tief in der Wüste und die Sonne brennt mir auf den Pelz. Mir und dem Kamel auf dem ich sitze.
Wadi Rum im Süden Jordaniens, der Wundertüte der Arabischen Welt. Es sind 30 Grad im Schatten und das Ende März und trotz der vorangeschrittenen Stunde. Sogar mit Sonnenbrille ist es unglaublich hell, weil es hier nichts gibt, dass sich den Sonnenstrahlen in den Weg stellen würde. Kein Baum, kein Busch, kein Grashalm weit und breit. Im Sand unter mir sind feine Strukturen zu erkennen, von Schlagen, Wüstenmäusen und andrem Getier. Die Wüste lebt, auch wenn sich sie sich gerade noch im Mittagsschlaf befindet.
Vor einer halben Stunde sind wir von der Ladefläche eines verbeulten Pick-Ups auf Kamele umgestiegen, oder eher Dromedare, wie ich schnell aufgeklärt werde. Die größtenteils recht stattlichen Exemplare verfügen nämlich über lediglich einen Höcker, nicht etwa zwei wie das Kamel.
Die typische Kleidung der Beduinen von heute: möglichst lang und körperbedeckend
Kamel-Schmuck der Beduinen: Woanders würde man das Muster wohl als Hipster-Teppich verkaufen
Lektion 2: Wer hoch auf dem Rücken eines Kamels sitzt, hat eigentlich nicht viel zu tun, außer zu versuchen, nicht allzu oft mit Wirbelsäule und Steißbein gegen die rückseitige Halterung des hartledernen Sattels zu schrammen. Auf Dauer können sich hier durchaus Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen – von Wirbelsäule und Steißbein wohlgemerkt.
Ihm scheint bei 30 Grad ziemlich kalt zu sein: Jamal, der Kamelflüsterer unter den Beduinen
Jamal, mein junger Kamelführer kann darüber nur lachen. Und doch grinst der junge Beduine, wie ein Honigkuchenkamel. Das tut er aber so ungemein sympathisch, dass ich es ihm gar nicht übel nehmen kann. Der Anblick unbeholfener Großstädter muss für einen Beduinen ganz schön lustig sein. Umso mehr, wenn sie dazu noch wirre Verrenkungen machen, um das Szenario fotografisch festzuhalten. Dabei scheint der junge Beduine besonders Interesse an meinem Smartphone gefunden zu haben.
Das typische Beduinen Kopftuch darf natürlich nicht fehlen
So schwanken wir gemächlich durch die unwirkliche Kraterlandschaft. Langsam aber sicher geht es auf 16 Uhr zu – wenn auch ganz gemächlich, als würde meine alte Omega auch schon Ermüdungserscheinungen aufweisen. Die Sonne hingegen knallt weiterhin unermüdlich vom Himmel, aber sie steht tief dabei und bettet die Wüstenlandschaft mehr und mehr in sanfte rote und orangefarbene Töne.
Zumindest von den Farben her steht die Kleidung der Kamele derer der Beduinen in nichts nach
Jamal, der junge Beduine, trägt einen dicken Wollpullover. So unterschiedlich kann Wärmeempfinden also sein. Trotz seines geringen Alters, ich schätzt ihn auf etwa 11 Jahre, macht er seinen Job ohne große Aufregung, ja richtig souverän. Von Zeit zu Zeit redet er leise auf seine beiden Dromedare ein, mit einer so zaghaften Stimme, dass sogar Arabisch ungewöhnlich sanft klingt. Manchmal streichelt er ihnen liebevoll über das dicke Fell am Hals, so hoch wie er mit seinen 1,40 Meter eben kommt. Fast scheint es so, als sei er mit seinen Tieren durch ein unsichtbares Band verbunden.
Wir machen an einem großen Beduinenzelt halt, wo Jamal und Konsorten fix einen verbeulten Kessel mit Wasser aufsetzen. Auf dem offenen Feuer ist es schnell erhitzt und so füllt sich die dicke Wüstenluft rasch mit dem süßlichen Geruch von Salbei und Kardamom. Ich könnte mich daran gewöhnen.
Beduinenjunge Jamal auf seinem Lieblingskamel, dessen Namen ich leider nicht erfahren hab
Drei Tassen später ist die Welt um uns in einen dunkelroten Schleier gehüllt. „Jalla! Jalla!“ ruft uns jemand vom Jeep entgegen. Wir sollen uns beeilen, denn noch bevor die Sonne untergeht, wollen wir die Anhöhe erreichen. Der Sonnenuntergang hier im Wadi Rum sollte man wirklich nicht verpassen, wie wir später eindrucksvoll erfahren werden.
Wer wohl der ältere ist? Nachwuchsbeduine Jamal mit einem seiner jungen Kamele
Oben, auf dem kargen Felsen, muss ich nochmal an Jamal denken, von dem ich mich in all der Hektik gar nicht habe verabschieden können. Er, der Kamelflüsterer unter den Beduinen, ist schon längst weitergezogen mit seinen Dromedaren. Für ihn als Wüstennomaden hat das Spektakel am Horizont seinen Zauber wohl längst verloren. Exotisch ist eben nur das, was man nicht kennt. Zumindest eine Weisheit, die mich das Wadi Rum heute gelehrt hat.
Gute Reiseliteratur? Meine Empfehlungen für Jordanien:
Am Lonely Planet Jordanien (Neuerscheinung 08/2015 ) führt hier dank der sehr backpackertauglichen Tipps mal wieder kein Weg vorbei. Besonders empfehlen kann ich aber auch den DuMont Kunst Reiseführer Jordanien, der in ausführlicher Weise die Besonderheiten und die Geschichte des Landes beleuchtet.
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